Stellungnahme der Stadtratfraktion zur Kooperation mit dem Postillion e.V. zur Übernahme der städtischen Kindergärten.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßt sehr, dass die Stadtverwaltung den GMR über die beabsichtigte Kooperation zwischen Stadt und Postillion e.V. informiert hat und das Thema auf mehreren Sitzungen – sei es im SKS oder im Gemeinderat oder auch in einer gemeinsamen Besprechung mit den Einrichtungsleitungen der Kindertagesstätten auf die Tagesordnung gesetzt hat.
Wir danken auch für die außergewöhnliche Prüfung und die Rechtsauskunft zur Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern durch die Verwaltung. Dafür hätte aus unserer Sicht entsprechend des §18 GemO eine Abstimmung im Gemeinderat gereicht.
Was wir im bisherigen Prozess aber wirklich vermisst haben ist eine ernsthafte Diskussion und ein ergebnisoffener Austausch mit Blick auf die kommunale Daseinsvorsorge, die verfassungsrechtlich im Sozialstaatsprinzip Art. 20 Abs. 1 GG verankert ist. Hier wird explizit betont, dass „Die BRD ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“ ist.
So wurde aus unserer Sicht der Frage:
„Wo und inwieweit sehen wir unsere soziale Verantwortung als Stadt Hockenheim“
im Vorfeld nicht ausreichend gewürdigt und nachgegangen.
Entscheidende Fragen wie z.B.
- welche Möglichkeiten / Alternativen gäbe es angesichts und mit der jetzigen schwierigen Personalsituation im Fachbereich Soziales gegeben, um die Kindertageseinrichtungen in kommunaler Trägerschaft zu belassen?
- und welche Möglichkeiten der Beratung vielleicht auch unter Einbezug des KVJS hätten wir als Stadt in Anspruch nehmen können?
wurden nicht gestellt, geschweige denn Antworten gegeben.
Deshalb möchten wir Ihnen unsere Antworten darauf geben.
Erstens:
Mit der beabsichtigen Kooperation gibt die Stadt Hockenheim ihre soziale Verantwortung im Bereich der Kindertageseinrichtung von bislang drei Einrichtungen von insgesamt 11 (incl. geplant) auf 0 ab.
Stadt: Park, Friedrich-Fröbel, Südstadt
Kath. Kirche: St. Josef, St. Maria
Ev. Kirche: Heinrich-Bossert-, Friedrich-Heun
Lebenshilfe: Integrativer KiGa
Postillion: Waldkindergarten, Kinderkrippe, Albert-Einstein
im Vergleich dazu:
In Städten wie z.B. Weinheim sind bis zu 40% der Kindertageseinrichtungen in städtischer Trägerschaft, in Städten mit einer vergleichbaren Größe von Hockenheim sind es i.d.R. ein bis vier Kindertageseinrichtungen. Selten aber gibt es eine Stadt in der Größe, die den Eltern, Mitarbeiter*innen gar kein kommunales Angebot mehr zur Verfügung stellen.
Zweitens:
Mit der beabsichtigen Kooperation sinkt die Vielfalt an Trägern in der Stadt Hockenheim von bislang fünf auf nun vier Träger mit folgender prozentualer Verschiebung:
- Gleichbleibend 9,1% Lebenshilfe
- Gleichbleibend jeweils 18,1% evangelische und katholische Träger
- Verdopplung von 27,3% auf 54,6% Postillion
- Reduktion von 36% auf 0% in städtischer Trägerschaft
Mit einer vorgehaltenen Trägervielfalt – wie dies vom Gesetzgeber gewünscht und wofür wir Grüne ebenfalls stehen – soll vor allem den unterschiedlichen Vorstellungen der Eltern und Erziehungsberechtigten Rechnung getragen werden (siehe hierzu auch das Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII). Bei der Suche nach der richtigen Kita spielen für Eltern nämlich neben praktischen Gründen auch Weltanschauungen und Konzeptionen eine große Rolle wie dies viele Studien gezeigt haben.
Die bisherige Wahl-Möglichkeiten sehen wir durch diese quantifizierte Verschiebung in der Trägerschaft für Eltern und Erziehungsberechtigte eingeschränkt und deutlich reduziert. Aber nicht nur für die Eltern auch für die Mitarbeiter und Mitarbeiter*innen – auch diese bewerben sich bewusst bei best. Arbeitgebern.
Drittens:
Eine qualifizierte Wirtschaftlichkeitsprüfung wurde bislang nicht vorgelegt, in der detailliert dargelegt wird, wo das Einsparpotential durch die Vergabe an einen freien Träger konkret liegt.
Viertens:
Wenn schon nicht eine förmliche Ausschreibung im Sinne des Vergaberechts – was im SGB VIII nicht zwingend notwendig ist – vorgenommen wurde, so hätte man hätte in jedem Fall eine Ausschreibung im Sinne eines transparenten und diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahrens vornehmen können, wie dies in vielen Städten gehandhabt und durchgeführt wird. *
Beide Varianten (förmliche Ausschreibung im Sinne des Vergaberechts oder transparentes und diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren) hätten in wenigen Wochen abgewickelt werden können.
Auch das vermissen wir im gesamten Prozess bei der zur erwartenden Höhe der Vergabesumme.
Unser Statement: Bündnis 90/Die Grünen:
- Wir stimmen für den Verbleib der Kindertageseinrichtungen in städtischer Hand oder zumindest einer bestimmter Anzahl um die Trägervielfalt zu wahren.
- Wir stimmen gegen die Art und Weise in der Vergabe und den durchgeführten Gesamtprozess.
- Wir setzen uns ein für andere Beteiligungs- und Informationsprozesse,
- Wir setzen uns ein für die Wahrung und Ausbau von Trägervielfalt,
- Wir setzen uns ein, dass die Stadt ein verlässlicher Arbeitgeber ist, mit dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich identifizieren können
- Aber vor allem setzen wir uns ein für eine soziale Stadt, die ihren Bürgerinnen und Bürger entsprechende Angebote vorbehält.
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